Der Nautische Strich

Der Nautische Strich

Wer sich mit der Schiffahrt auseinandersetzt stößt schnell auf Begriffe, die ihren Ursprung in der langen Tradition der Seefahrt haben, sich aber auf den ersten Blick nicht erklären.

Einer dieser Begriffe ist der "Nautische Strich", den wir ganz sicher aus alten Piratenfilmen kennen, wenn der Käptn eine Kursänderung von 1, 2 oder 3 Strich anordnet. Dabei ist jedem schnell klar, dass der nautische Strich unmöglich identisch zu unserer Bezeichnung Grad sein kann.

Genauso merkwürdig erscheinen uns heute die Gradzahlangaben bei der Beleuchtung von Schiffen. Hier ein Auszug aus der KVR - Regel 21:

"Topplicht" bedeutet ein weißes Licht über der Längsachse des Fahrzeugs, das unbehindert über einen Horizontbogen von 225 Grad scheint, und zwar von recht voraus bis 22,5 Grad achterlicher als querab nach jeder Seite.


Was bedeutet das?

Querab bedeutet ja nichts anderes, als einen Winkel von jeweils 90° zu beiden Schiffsseiten. Gesehen von der Rechtsvoraus- Richtung des Schiffes. Diese Rechtsvoraus-Richtung ist nichts anderes als die - in die Horizontalebene projezierte - Längsachse der Kiellinie eines Schiffes. Oder vereinfacht ausgedrückt die Richtung bei Geradeausfahrt (ohne Vorhaltewinkel). Ausgehend von dieser Linie, die im Idealfall die Kurslinie des rechtweisenden Kurses (rwK) ist werden also nach jeder Seite ein Winkel von 90° gemessen. 180° in Summe also. Nun kommen pro Seite noch mal  22,5° (also 45°) zu den 180° dazu.
So kommen wir auf den Winkel des beispielhaft betrachteten Topplichtes. Insgesamt 225 °.

Oder KVR Regel 13 b:

Ein Fahrzeug gilt als überholendes Fahrzeug, wenn es sich einem anderen aus einer Richtung von mehr als 22,5 Grad achterlicher als querab nähert und daher gegenüber dem zu überholenden Fahrzeug so steht, daß es bei Nacht nur dessen Hecklicht, aber keines der Seitenlichter sehen könnte.


Ja wer denkt sich denn so "schräge" Winkel aus?

Die Lösung liegt an den Kompassen, die seinerzeit verwendet wurden. Die Kompassrose war auf 32 Teilstriche aufgeteilt, was bei der Bewegung, die in einem Schiff nun einmal ist, auch besser zu steuern ist.
Rechnen wir also nun 360° durch 32 Teilstriche ergibt das 11,25° pro Strich.
2 Strich achterlicher als querab sind also 90°
(das ist querab) + 22,5° (das sind 2 Strich).

So entstehen dann auch die Winkelangaben der Seitenlichter, die ebenfalls 2 Strich achterlicher als querab erkennbar sein müssen. 90° + 22,5° sind dann eben 112,5° pro Seitenlicht. Addieren wir nun die Winkel beider Seitenlichter, sind wir wieder bei den 225°, die das Topplicht haben muss und im Ergebnis bleiben dann die restlichen 135° für das Hecklicht.

Ganz nebenbei: Dieses Wissen wird versteckt noch heute bei den Prüfungen zu den höheren nautischen Patenten hinterfragt. Hier gibt es durchaus Aufgaben im Zusammenhang mit der Koppelnavigation und dem Besteckversatz bei dem es dann so weitergeht, dass in der Prüfungsaufgabe nach der Feststellung des Standortes vorgegeben wird: "Von hier ab ändern Sie Ihren Kurs um 3 Strich nach steuerbord ....".
Wohl dem SSS'ler oder SHS'ler, der sich dann noch erinnert wie das zusammenhängt.

Und wenn wir schon dabei sind... Es gibt auch Aufgaben, bei denen auf die gleiche Weise Begriffe bzw. Größen wie "Kabel" oder "Faden" als bekannt vorausgesetzt werden.