Bodenseeschifferpatent

Bodenseeschifferpatent

Diese Befähigung Patent zu nennen ist schon eine Frechheit. Ich habe daher lange darüber nachgedacht, ob ich mich mit diesem Sportbootführerschein wirklich auseinandersetze und habe mich dazu entschieden, dies zu tun.

Das Schwäbische Meer oder der Bodensee wird von den Länder Deutschland, Österreich und der Schweiz, als Kondomínium, auch schiffahrtsrechtlich verwaltet und dabei kam dann so ein "Patent" heraus. 
Kondomínium bedeutet, das ein Gebiet von mehreren Staaten beherrscht/verwaltet wird.  Entsprechend müssen die Reglen harmonisiert werden und ich habe den Eindruck, dass man sich hier auf den niedrigsten denkbaren Level verständigt hat.

Wenn Sie nach dem Bodenseeschifferpatent googeln werden sie schnell auf die Frage stoßen, ob dieses Patent schwer (gemeint ist die Prüfung zum Patent) ist. Wohlwollende Äußerungen hierzu sind, dass es nicht besonders anspruchsvoll ist. Im O-Ton werden sie lesen "Der spezifische Lehrinhalt für das Bodenseeschifferpatent ist weder schwer noch anspruchsvoll.", was in meinen Augen noch geschmeichelt ist.

Ich selbst habe dieses "Patent" gemacht als ich bereits den SKS-Schein für Motor und Segeln in der Tasche hatte. Hintergrund war der, dass ich in Vorbereitung auf unseren Griechenland-Törn Personen dabei hatte, die noch nie in ihrem Leben segeln waren. Diesen wollte ich an einem Wochenende die Möglichkeit des "Schnupperns" geben. Da die Gebühren für ein einmaliges Gastpatent in ähnlicher Höhe liegen wie die Gebühren für die Prüfung und das Ausstellen eines Bodenseeschifferpatentes, habe ich mich damals dazu entschieden, diesen Schein nebenbei zu machen.

Für die Prüfung haben Sie 60 Minuten Zeit für den allgemeinen Teil und 20 Minuten für den Segelteil. In dieser Zeit müssen 86 Fragen mit je drei Antwortvorschlägen im Multiple Choice-Testverfahren beantwortet werden, von denen stets eine Antwort richtig ist. Als SKS-Schein-Inhaber war ich von der praktischen Prüfung befreit. Für die Theorie brauchte ich 18 Minuten für beide Teile und gab als zweiter Prüfling, jedoch als erste mit null Fehlerpunkten, ab. Soviel dazu.

Aber nun ein paar Worte, warum dieser Schein ein schlechter Witz ist und streng genommen ersatzlos gestrichen gehört.
Als Wassersportler, der den seriösen Sportbootführerschein Binnen gemacht hat, haben Sie gelernt, dass es neben den allgemein gültigen Regelungen auch immer Revierbesonderheiten gibt. Hier möchte ich beispielhaft die Höchstgeschwindigkeit auf dem gesamten Neckar (18 km/h) nennen. Wir sind dazu verpflichtet, uns über Revierbesonderheiten zu informieren und diese einzuhalten.
Der Bodensee ist, streng genommen, eine einzige Revierbesonderheit. Angefangen mit den Bestimmungen für das führerscheinfreie Fahren von Sportbooten (6 PS) anstelle von 15 PS oder 5 PS (am Rhein), der max. Schiffslänge 20 m (LÜA) und der Höchstgeschwindigkeit max. 40 km/h verknüpft mit einem max. Lärmpegel. 
Besonders großer Wert wird auf die Reinhaltung des Bodensees gelegt, was auch korrekt und nachvollziehbar ist wenn man bedenkt, dass das Wasser des Bodensees bis nach Heidelberg als Trinkwasser geliefert wird. Außerdem ist es ein Uranliegen, dass wir unsere Gewässer sauber halten. Dafür gibt es im Bereich See u.a. das MARPOL- und Helsinki-Abkommen. Aber ich schweife ab.

Den kompletten Fragenkatalog inkl. der korrekten Antworten zum BSP finden Sie hier.

Um das Niveau dieses Patentes zu veranschaulichen, hier eine Frage:
Wie verhalten Sie sich, wenn eine Person über Bord geht?
Eine der Antwortvorschläge ist: Ich setze die Flagge auf Halbmast und setze meine Fahrt fort.

Wenn Sie also nach der erfolgreich abgelegten Prüfung des Bodenseeschifferpatentes dieses ihr eigen nennen können, geht der - nennen wir es Gestaltungsmißbrauch - erst richtig los. Sie können das Bodenseeschifferpatent ohne jegliche Prüfung in den amtlichen Sportbootführerschein Binnen umschreiben lassen. 

Noch einmal zum besseren Verständnis, der amtliche Sportbootführerschein Binnen (Motor/Segeln) ist weitaus komplexer als das, was beim Bodenseeschifferpatent gelehrt und geprüft wird. Alleine die Gefahrstoffklassen für Schiffe, die Gefahrstsoffe transportieren, die Mindestabstände beim Ankern oder Festmachen in deren Nähe sind Themen, die beim BSP gar nicht gefragt werden. Dafür wird der Fragenkatalog mit unsinnigen Fragen wie z.B. "wo ist der Bodensee am tiefsten?", "Welches ist die breitestes Stelle am Bodensee?" u.s.w. aufgebläht.

Ein gewissenhafter Freizeitkapitän, der den amtlichen Sportbootführerschein Binnen hat, ist durchaus in der Lage, die bodenseespezifischen Revierbesonderheiten zu recherchieren und zu berücksichtigen. Umgekehrt funktioniert das nicht.

Daher ist das "Schmalspurpatent" ein falscher Freund. Denn selbst dann, wenn Sie ein Bodenseeschifferpatent der Klasse A und/oder D haben erfolgreich umschreiben lassen, dürfen Sie damit zwar auch auf anderen Binnenschifffahrtsstraßen ein Boot fahren. Sie können es aber nicht, weil Ihnen der Background fehlt. 
Während meiner nebenberuflichen Selbstständigkeit hatte ich die Website segeltrainer.org (die gibt es heute nicht mehr). Dort habe ich das Phänomen in einem Slogan zusammengefasst. Dieser Slogan war "...denn die See prüft nach."

Sie können sich mehr oder weniger durch eine Prüfung schlängeln, den einfachsten Weg gehen und dann ein mehr oder weniger wertloses Patent zu einem richtigen Sportbootführerschein umschreiben lassen. Das sind administrative, legale Tricks. Ich nenne das Gestaltungsmißbrauch. Die bringen Ihnen jedoch im Ernstfall, wenn das Wissen fehlt, gar nichts.

Alleine im Jahr  2022 sind, nur auf der schweizer Seite des Bodensees, 63!! Menschen im Bodensee um's Leben gekommen. Das waren Schwimmer, Taucher, Surfer, Kanuten, Ruderer und Freizeitkapitäne.
Ich erinnere mich an eine Begebenheit, die mir ein Ausbilder schilderte. Eine große Motoryacht auf dem Bodensee fuhr raus um mit 12 Personen auf dem Schiff Party zu machen. Ob Alkohol im Spiel war spielt für den Unfall keine Rolle. Es zog ein Unwetter mit Gewitter auf. Die Gäste fühlten sich nun unter Deck nicht mehr wohl und wollten alle nach oben. Möglichst ganz nach oben auf die Flybridge.

Ob diese so hoch war wie hier auf diesem Bild kann ich nicht sagen. In jedem Fall gingen alle nach oben, wodurch die Stabilität der Motoryacht sich änderte. Bei zunehmender Welle kenterte die Yacht, da der Schwerpunkt nun oben war. Alle 12 Personen an Bord ertranken. Ich behaupte, das dies einem gut ausgebildeten Skipper, der schon mal etwas von Gewichts- und Formstabilität gehört hat, nicht passiert wäre.
Wären die Gäste unter Deck geblieben, hätten alle an Bord eine Überlebenschance gehabt.
Die bzw. der See prüft nach.