Arbeitsanweisungen
Bislang haben wir uns vorrangig um das Gerüst eines QMS gekümmert. Das kann ziemlich langweilig sein. Respekt, wenn Sie bis hierher durchgehalten haben. Ab jetzt wird das Thema etwas lebendiger bzw. bekommt mehr Praxisbezug.
Sie haben sicher schon festgestellt, dass ein QMS von oben nach unten immer konkreter wird. Ganz oben steht das Handbuch mit einer relativ groben Struktur. Meist wird darin auf Prozesse verwiesen die schon mehr Substanz haben. Innerhalb der Prozesse kommen dann i.d.R. die Arbeitsanweisungen zur Sprache und hier wird es gleichermaßen für produzierende Betriebe wie auch für beratende Unternehmen konkret, denn die Norm (und im Streitfall auch Gerichte) verlangen ggf. Beweise. Das können im Streitfall die bereits erwähnten "dokumentierten Informationen" sein.
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Produzierendes Unternehmen (Hersteller von Netzteilen)
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Beratendes Unternehmen (Versicherung oder Kapitalberatungsgesellschaft)
Zu 1: Ein Unternehmen entwickelt und produziert Netzteile und ist international tätig.
Sie können sich vorstellen, dass es für verschiedene Länder, unterschiedliche Netz-Spannungen und länderspezifische Gesetze eine Menge zu beachten gibt.
In Ihren Arbeitsanweisungen klären Sie Schritt für Schritt, welche Arbeitsschritte erforderlich sind um ein Produkt zu fertigen.
Da es durchaus denkbar ist, das die übergeordneten Schritte identisch sind, produktspezifisch aber Unterschiede bestehen, entsprechen Arbeitsanweisungen meist dem übergeordneten Dokument in dem ggf. die Vorgabe enthalten ist zu prüfen, für welchen Markt das Produkt gefertigt werden soll. Entsprechend kann dann eine Arbeitsanweisung auf detailliertere Vorgabedokumente (z.B. Checklisten, Materiallisten ...) verweisen.
Checklisten sind hierbei besonders hilfreich, denn Sie beinhalten, wenn sie gut gemacht sind, alle Arbeits- und Prüfschritte. Für unser Beispiel könnte eine allgemeine Arbeitsanweisung beispielsweise eine Tabelle beinhalten, die einem bestimmten Netzteil die dazugehörige Liste an Bauteilen, Montageanleitung und/oder Checkliste aufzeigt. Diese Vorgabedokumente wären dann in den länderspezifischen Ordnern zu finden.
Dann hätten Sie ggf. innerhalb der Arbeitsanweisung die Vorgabe, aus der Liste der Netzteile die dazugehörigen Begleitdokumente zu selektieren und mit diesen weiterzuarbeiten. Das würde völlig ausreichen. Mit vorausschauendem Blick auf das Thema "Vorbeugemaßnahmen" erlaube ich mir hier bereits den Querverweis, dass ein erfahrener Auditor das potentielle Risiko sehen könnte, dass ein Mitarbeiter in die falsche Zeile/Spalte rutscht und eine komplette Serie fehlerhaft produziert werden könnte.
Behalten wir dieses Risiko im Hinterkopf und greifen es beim Thema Vorbeugemaßnahmen wieder auf.
Dennoch, eine Arbeitsanweisung enthält Vorgaben darüber, wie eine klar definierte Arbeit schrittweise durchgeführt werden muss (nicht soll - denn es handelt sich um eine Anweisung und nicht um eine Empfehlung!). Gut gemachte Anweisungen beinhalten dann z.B. die Prüfung der Materialverfügbarkeit (z.B.: sind genügend Gehäuse, Adapter, Kabel, also allgemein alle erforderlichen Bauteile vorhanden) um den Produktionsauftrag durchzuführen. Dieser Schritt gehört nach meiner Erfahrung an den Anfang einer Fertigung, denn es macht unter Berücksichtigung von Maschinen-Rüstzeiten etc. keinen Sinn erst alle Maschinen einzustellen um dann festzustellen, dass einzelne Komponenten fehlen und sich der Produktionsbeginn verzögert.
Eine Arbeitsanweisung ist also eine Art Fahrplan, die innerhalb unserer Route auf andere Vorgabedokumente verweist. Weniger kryptisch könnte also in einer Produktions- oder Checkliste für das Netzteil XY123 festgelegt sein:
- welches Bauteil
- in welcher Reihenfolge zu verarbeiten ist,
- welches Werkzeug dafür zu verwenden ist
- mit welchem Drehmoment eine Schraube angezogen oder
- mit welchem Kleber eine Klebeverbindung herzustellen ist
- und welche Prüfungen (Sichtprüfung/Messung)
- vor und
- nach den jeweiligen Arbeitsschritten
durchzuführen ist. So können Sie bereits während der Fertigung vermeiden, dass serienmäßig Ausschuss produziert wird oder eine Serien aufwändig nachbearbeitet werden muss, nur weil ggf. eine Kiste mit Bauteilen falsch beschriftet war.
Im Idealfall verweist eine Arbeitsanweisung also auf andere Vorgabedokumente die sie Schritt für Schritt anleiten. So werden keine Teilschritte vergessen und auch keine Zwischenkontrollen. Solche Listen sind am Besten als Checklisten zu erstellen bei denen für jeden Schritt ein Tätigkeitsvermerk anzubringen ist.
Beim Erstellen solcher Listen ist es zwingend erforderlich, dass hier zumindest der Name des Mitarbeiters, der die Arbeiten ausführt, dokumentiert ist. Wenn Ihr Prozess vorsieht, dass anschließend eine Abnahme/Endkontrolle durch einen anderen Mitarbeiter erfolgt muss das Dokument auch hierfür ein Feld beinhalten.
In der Regel steigt das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter in dem Moment, in dem seine Arbeit mit seinem Namen in Verbindung gebracht wird und er mit seiner Unterschrift für die Qualität seiner Arbeit "bürgt".
Dieses Vorgehen ist jedoch nicht ausschließlich als Kontrolle geeignet. Es bietet sich auch als Instrument zur Ermittlung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen an. Wer weniger gute Arbeit leistet benötigt ggf. eine Nachschulung, wer immer 100% abliefert führt diese Schulung ggf. durch und qualifiziert sich betriebsintern weiter.
Doch hierzu später mehr.
Zu 2: Ein Unternehmen ist beratend tätig
Speziell Unternehmen aus der Finanzdienstleistung oder Versicherungen hatten hier immer wieder mal Probleme. Und zwar dann, wenn ein Finanztipp nicht aufging und der Kunde den Berater für eine Fehlberatung haftbar gemacht hat bzw. die vorhatte.
Die Branchen haben aus diesen Gerichtsprozessen gelernt und inzwischen Dokumente erstellt, bei denen der Verlauf der Beratung mehr oder weniger minuziös nachvollzogen werden kann. Mit Datum, Namen und Unterschrift aller Beteiligten.
Gut gemachte Beratungsprotokolle die analog der o.g. Checklisten verwendet werden können, jedoch den gleichen Arbeits- und Nachweischarakter haben, beinhalten eine Risikoeinschätzung für ein Kapitalanlage-Produkt.
Gibt der Anleger an, dass er tendenziell konservativ anlegen möchte muss dem Berater klar sein, dass Hochrisikoanlagen tabu sind. Im Umkehrschluss werden Anlegern, die eine hohe Rendite erwarten, und dabei bereit sind ein höheres bis hohes Risiko des Kapitalverlustes einzugehen, mit einer konservativen Anlageform unzufrieden sein.
Solche Fragen gehören also in eine Arbeitsanweisung bzw. die daraus resultierenden Begleitdokumente (z.B. Beratungsprotokolle/Beratungsleitfäden o.ä.). In der Regel arbeiten Versicherungen und Kapitalberatungsgesellschaften softwarebasiert. Eine gute Software trifft dann u.A. eine kontextbezogene Vorauswahl. Das heißt, für die Selbsteinschätzung der Risikobereitschaft bei einer Kapitalanlage stehen so genannte Optionsschalter (keine Kontrollkästchen) zu Verfügung. Optionsschalter lassen nämlich jeweils nur eine Auswahl zu.
In Abhängigkeit dieser Selbsteinschätzung müssen dann die unzutreffenden Produkte vorselektiert und ausgeschlossen werden.
Sie sehen schon, es geht einmal um Beratungs-/Fertigungsqualität bzw. Sicherheit und zum Zweiten um die Nachweismöglichkeit.
Sowohl in der Produktion als auch in der Beratung müssen Schritte existieren, bei denen nachvollziehbar ist dass Ihr Prozess unter kontrollierten Bedingungen erfolgt und eine gleichbleibende Qualität (Produktions- oder Beratungsqualität) am Ende herauskommt.
Wählen Sie für den Start in Ihrem QMS nicht gerade den kompliziertesten Vorgang aus und entwickeln Sie den Prozess, die Arbeitsanweisung und die Begleitdokumente nicht am runden Tisch oder alleine im stillen Kämmerlein sondern gehen dort hin, wo die Arbeit gemacht wird.
Bitten Sie Ihre Mitarbeiter darum Ihnen die Arbeit zu erklären und fragen Sie ggf. auch nach warum der Mitarbeiter das so macht. Erklären Sie den Mitarbeitern vorher, warum Sie diesen Besuch machen und das es Ihr Ziel ist, die Arbeitsanweisung so zu erstellen, dass sie dem tatsächlichen Geschehen auch entspricht.
Je nach Motivation des/der Mitarbeiter können Sie auch diesen bitten, einen Entwurf der Arbeitsanweisung zu erstellen. Motivierte Mitarbeiter könnten so auch in einem Qualitätszirkel (das kommt auch noch später) mitwirken.
Sie werden sich wundern, welch gute Vorschläge Sie von der Belegschaft erhalten, wenn Sie nur mal nachfragen. Lassen Sie dieses Potential nicht ungenutzt.

